
Noch nie standen den Menschen so viele Kommunikationsmittel zur Verfügung wie heute. Doch zugleich, so beobachtet es der Psychotherapeut Wunibald Müller, breitet sich in unserer Gesellschaft das Gefühl von Alleinsein und Einsamkeit aus, das Gefühl, unverbunden, unverknüpft mit anderen Menschen zu sein. Etwa bei Menschen, die aufgrund von Krankheit oder Arbeitslosigkeit isoliert sind. Bei der wachsenden Zahl an Menschen, die ungewollt (wieder) allein leben. Aber auch bei Menschen, die sich von ihrem Partner unverstanden fühlen. So können Sie das Alleinsein leichter aushalten oder es sogar als Bereicherung Ihres Lebens erfahren:
Nehmen Sie sich die Zweisamkeit zum Vorbild
„Zweisamkeit“ – wem schwebt da nicht ein (möglicherweise leicht kitschiges) Bild vor Augen von 2 Menschen, die sich nahe sind, einander vielleicht bei den Händen halten und es genießen, ungestört für sich zu sein?
simplify-Rat: Wischen Sie dieses Bild nicht schnell beiseite, weil es einen Zustand beschreibt, den Sie schmerzlich vermissen. Sondern nehmen Sie Ihr Bild von „Zwei-samkeit“ als Vorbild für ein positives Bild von „Ein-samkeit“: ein Mensch (Sie selbst), der sich selbst nahe ist und das genießen kann. So wie ein Paar sowohl Zweisamkeit als auch lebendige Bezüge nach außen braucht, sind für Sie sowohl Einsamkeit als auch Außenkontakte wichtig. Beobachten Sie sich: An welchen Tagen gelingt Ihnen die Balance?
Was Sie sich selbst geben können
Wer sein Glück von anderen Menschen abhängig macht, tut sich oft schwer damit, es zu finden.
simplify-Rat: Wonach genau sehnen Sie sich, wenn Sie sich nach Gesellschaft oder einem Partner sehnen? Anregungen – Zuwendung – Lebendigkeit – Bestätigung – Zärtlichkeit – Zuneigung – Aufmerksamkeit – Wertschätzung – Verwöhnt-Werden? Versuchen Sie, sich selbst das zu geben, was Sie gerne von außen hätten. Positiver Nebeneffekt: Wenn Sie ausstrahlen, dass Sie sich selbst schätzen, bekommen Sie auch mehr Wertschätzung von Ihrer Umgebung.
Nach einer Trennung
Zerbricht eine langjährige Partnerschaft, fallen neben dem Alleine-Sein oft auch das Alleine-Entscheiden und das Alleine-Handeln schwer.
simplify-Rat: Führen Sie ein „Hab ich alleine geschafft“-Konto, und verbuchen Sie dort Ihre Erfolge: allein ein Hemd gebügelt, allein im Kino gewesen, allein eine neue Wohnung gemietet. Achten Sie im Alltag auch auf die Vorteile Ihrer Lebenssituation – Sie können z. B. leichter spontan sein und haben mehr Zeit für sich und Ihre eigenen Interessen. Wer allein ist – bei einer Karnevalsveranstaltung, in den öffentlichen Verkehrsmitteln, im Kino, auf einer Wanderung –, wird zudem häufiger angesprochen als Paare. Erstellen Sie eine Liste mit den Vorteilen des Alleinseins, und versuchen Sie, dieser Liste jeden Tag 1 neuen Punkt hinzuzufügen. So entwickeln Sie neue Kräfte und ein Gefühl für Ihre innere Stärke.
Allein und doch verbunden
Ganz gleich, ob Sie Single sind oder in einer Partnerschaft leben: Viele schwierige Situationen des Lebens müssen Sie alleine durchstehen. Das kann ein unangenehmes Gespräch mit dem Chef sein, eine Krankheitsdiagnose im Sprechzimmer des Arztes, eine schmerzhafte Zahnbehandlung oder eine von Sorgen belastete schlaflose Nacht.
simplify-Rat: Denken Sie in solchen Situationen intensiv an Menschen, mit denen Sie eine gute Beziehung verbindet. Das kann auch der gute Freund sein, der nach Australien ausgewandert ist, oder Ihre schon verstorbene Mutter. Stellen Sie sich vor, diese Menschen seien gegenwärtig. Spüren Sie, wie Ihr Freund Ihnen die Hand auf die Schulter legt, oder hören Sie, wie Ihre Mutter ihr beruhigendes „Hab Vertrauen in das Leben“ sagt. Wenn Sie an Gott glauben, nehmen Sie seine Gegenwart wahr, und sprechen Sie mit ihm.