Zeit- und Stressmanagement

Inhaltsverzeichnis

Zeitmanagement: Wie Sie Ihr Kalender belügt

So finden Sie die Wahrheit beim Thema Terminplanung

„Am nächsten Donnerstag? Moment, ich sehe in meinen Kalender. Ja, da habe ich Zeit.” Ein typisches Beispiel für den Irrweg, auf den Sie Ihr Terminplaner schicken kann.

Kalenderproblem 1: Ihre wichtigsten Zeiten stehen nicht drin

In der Regel zeigt ein Kalender nur Besprechungen, Besuche und andere Termine an, die Sie mit anderen Menschen verbringen – nicht aber die Zeit, die Sie für Ihre eigentliche Arbeit benötigen: Post erledigen, Berichte schreiben, neue Ideen entwickeln oder die Ablage machen. Untersuchungen des Schweizer Zeitexperten René Marchand ergaben, dass der Löwenanteil der produktiven Tätigkeiten außerhalb der Ereignisse geleistet wird, die im Kalender stehen. Die wirklich wertschöpfenden Zeiten tauchen in einem Terminplaner nie auf, sollten aber im Zeitmanagement Beachtung finden. Trotzdem gilt ein Mensch mit einem vollen Kalender als besonders fleißig. In Wirklichkeit hat er seine Zeit nur aufgebraucht, nicht aber unbedingt gewinnbringend verbracht. 

Tipp 1: Vereinbaren Sie Termine mit Ihren Aufgaben

Veranschlagen Sie (wie ein Handwerker) auch für geistige, kreative und organisatorische Tätigkeiten Arbeitsstunden, und tragen Sie diese in Ihrem Kalender ein. 

Erfassen Sie für Ihr Zeitmanagement ehrlich, wie lange Sie für Ihre typischen Tätigkeiten benötigen. Beispiel: 1 Seite Bericht verfassen = 40 Minuten; 1 Menschen anrufen und ihn zu einer Aufgabe motivieren = 15 Minuten. Nehmen Sie als Grundlage nicht die Glücksfälle, bei denen alles optimal lief (ein 4-seitiger Bericht floss Ihnen in 1/2 Stunde aus der Maschine), sondern den durchschnittlichen Normalfall.

Durch Multiplikation der ermittelten Werte erhalten Sie realistische Angaben: Für einen 5-seitigen Bericht brauchen Sie gut 3 ungestörte (!) Arbeitsstunden. Um unter 8 Menschen 2 oder 3 zu finden, die einen Auftrag für Sie übernehmen, sollten Sie gut und gern 2 Stunden einkalkulieren. Und rechnen Sie noch einmal 20% dazu für Unvorhergesehenes (Oma ruft an, Kopierer geht kaputt).

Schreiben Sie diese Aufgaben-Zeiten in Ihren Terminplaner, am besten in einer anderen Farbe. Behandeln Sie diese Zeiten wie einen „richtigen” Termin, also eine Sitzung oder einen Besuch. Wer Aufgaben-Zeiten leichtfertig für andere Tätigkeiten vergibt, muss unweigerlich abends und am Wochenende arbeiten.  

Kalenderproblem 2: Leerer Platz bedeutet nicht „freie Zeit”

Wenn Sie den Oktober 2012 in Ihrem Kalender aufschlagen, werden Sie kaum Eintragungen finden. Im Oktober 2012 werden Sie vermutlich aber ebenso viel Arbeit und wenig freie Zeit haben wie jetzt. Marchand: „Viele Menschen akzeptieren unwichtige Termine in der Zukunft, weil sie vor einem leeren Kalender sitzen und der Täuschung erliegen, dann noch viel freie Zeit zu haben.”

Tipp 2: Der Bleistift-Trick

René Marchand rät, kommende Monate im Kalender mit dünnen Bleistiftstrichen auszufüllen. Blockieren Sie 3 bis 4 Tage pro Woche, je nach Ihrem durchschnittlichen Bedarf für Aufgaben-Zeiten. Dann sind Sie gezwungen, für einen Termin in der Zukunft die benötigte Zeit durch das Ausradieren des Strichs freizugeben. Damit machen Sie sich deutlich, dass Sie auch für einen Termin in fernerer Zukunft wertvolle Arbeitszeit opfern müssen.

Bei elektronischen Organizern können Sie zukünftige Zeiten blockieren, indem Sie einen ganztägigen Termin namens „Arbeitszeit” als „wöchentlich wiederkehrend” definieren.

Kalenderproblem 3: Er sperrt sich gegen Privates

Der Zeitplanungsexperte Jörg Knoblauch rät, auch das Privatleben in Termine zu fassen, z. B. „21.30 bis 24.00: Unterhaltung mit meiner Frau”. Viele Menschen sträuben sich gegen den Gedanken, das „ganze Leben zu verplanen” – und akzeptieren dafür bisweilen, dass für Privates überhaupt keine Zeit mehr bleibt. Bis sie eines Tages die Termine bei Anwalt und Scheidungsrichter in Ihr Zeitmanagement aufnehmen müssen.  

Tipp 3: Exemplarische Privattermine

Es wäre Unsinn, jedes Gespräch mit den Kindern und jeden Fernsehabend mit der Familie als Termin zu behandeln – vor allem, wenn Ihnen Ihr Beruf regelmäßig freie Abende und Wochenenden gestattet. Wenn das jedoch nicht der Fall ist, sollten Sie pro Woche mindestens 2 private Termine eintragen, die Sie auf jeden Fall einhalten – als Schutz davor, dass für Partnerschaft und Beziehung überhaupt keine Zeit mehr bleibt. Seien Sie dabei möglichst kreativ („Clara überraschend von der Schule abholen”, „Mit Ehefrau einkaufen gehen, obwohl ich das hasse”).

Kalenderproblem 4: Er fühlt sich voll so gut an

Ein voller Terminplan gibt vielen Menschen das Gefühl, wichtig zu sein und gebraucht zu werden. Besonders verführerisch ist das in Berufen, bei denen es keine feste Definition gibt, wann „alles erledigt” ist (z. B. Pfarrer, Sozialarbeiter). 

Tipp 4: Kalenderfreier Monat, probeweise

Wenn Ihr Kalender stets besonders voll ist, probieren Sie das Gefühl „leerer Kalender” aus. Notieren Sie 1 Monat lang nur die allerwichtigsten speziellen Termine. Versuchen Sie, die wöchentlich wiederkehrenden Verabredungen nicht aufzuschreiben, sondern im Kopf zu behalten.

Empfinden Sie Termine nicht als Pflicht, sondern als Abwechslung. Experimentieren Sie, verlassen Sie die gerade Bahn. Zahlen Sie es Ihrem Kalender heim, dass er Sie so lange betrogen hat. Vielleicht gewöhnen Sie sich ja an das Leben ohne Plan und gewinnen eine neue Sicht auf Ihr Leben und das Zeitmanagement  – nachdem Ihr Kalender Ihnen so lange den freien Blick darauf verstellt hat.