Wie Sie Ihren Mitmenschen ihre Angst nehmen können

Wie Sie Ihren Mitmenschen ihre Angst nehmen können

Ihre Kollegin hat Angst vor dem Gespräch mit dem Chef, Ihr Sohn vor der nächsten Physikschulaufgabe, Ihre Nachbarin vor Einbrechern, Ihre Eltern davor, dass Ihnen auf Ihren Fernreisen etwas zustößt … Der Umgang mit fremden Ängsten kann manchmal so schwer sein wie die Bewältigung der eigenen. Diplom-Psychologin Monika Steiner hat typische Fehler identifiziert und gibt Tipps, wie Sie die vermeiden, wenn Sie anderen die Angst nehmen wollen. Eine Bemerkung vorab:

Angst ist normal!

Jeder Mensch hat Ängste. Viele sind sinnvoll, um Gefahren zu vermeiden: Weil Ihr Cousin Angst vor einem weiteren Schlaganfall hat, beginnt er, regelmäßig Sport zu treiben. Andere Ängste sind übertrieben, aber harmlos: Wenn eine Spinne ins Freie zu befördern ist, ruft Ihre Partnerin Sie jedes Mal. Problematisch oder krankhaft ist eine Angst, wenn sie das eigene Leben oder das Leben anderer einschränkt: Ihre Nachbarin überprüft bei jedem Weggehen 20 Minuten lang, ob alle Fenster und Türen geschlossen und alle Elektrogeräte ausgeschaltet sind.

simplify-Rat: Ordnen Sie die Angst Ihres Gegenübers in diesem Spektrum ein. Dann fällt es Ihnen leichter, richtig zu reagieren.

Einfühlen statt beschwichtigen

Gut gemeint: Sie versuchen, mit Sprüchen wie „Davor brauchst du doch keine Angst zu haben“ zu beruhigen. Das Problem: Das hilft nicht, anderen die Angst zu nehmen, sondern führt oft dazu, dass sich der andere auch noch für seine Ängste schämt.

simplify-Rat: Lassen Sie sich erzählen, wovor genau der andere Angst hat. Wenn Ihre Kollegin Angst hat vor dem Jahresgespräch mit dem Chef, befürchtet sie möglicherweise, dass er die geforderte Gehaltserhöhung verweigern könnte. Oder dass er sie wegen eines Fehlers herunterputzt. Oder dass während des vertraulichen Gesprächs die Tür zum Sekretariat offensteht. Prüfen Sie gemeinsam, wie berechtigt die Angst ist. Auch wenn Sie selbst eine Angst nicht nachvollziehen können – machen Sie sich niemals lustig darüber („Du Angsthase!“ – „Wenn die anderen wüssten, wie du dich anstellst!“). Verbuchen Sie unberechtigte, aber harmlose Ängste unter „persönliche Macken, die jeder hat“.

Ermutigen statt schonen

Gut gemeint: Sie helfen dem anderen, die Angst machende Situation zu vermeiden – und melden z.B. Ihren Sohn vor seinem Klaviervorspiel krank. Das Problem: Beim nächsten Mal wird die Angst dadurch umso größer sein. Angst nehmen sieht also anders aus.

simplify-Rat: Ermutigen Sie den anderen, sich der Situation zu stellen, etwa nach dem Motto „Augen zu und durch“, und helfen Sie dabei. Erinnern Sie Ihren Sohn jeden Tag ans Üben, damit er das Stück sicher beherrscht. Besprechen Sie, wie er sich verhalten kann, wenn er sich verspielt. Vereinbaren Sie eine kleine Belohnung. Wenn Ihr Sohn hinterher erkennt: „So schlimm war es gar nicht“, haben Sie und er gewonnen! Wichtig: Achten Sie darauf, dass der/die andere nicht von Ihnen abhängig wird. Schiebt Ihre Freundin den Gang zum Arbeitsamt immer wieder auf, begleiten Sie sie beim ersten Mal dabei, nicht aber bei den Folgeterminen. So können Sie dem anderen eher die Angst nehmen, anstatt sie nur noch größer zu machen!

Ablenken statt endlos durchkauen

Gut gemeint: Sie wollen verständnisvoll sein und lassen sich auf lange Gespräche ein. Das Problem: Der andere steigert sich immer mehr hinein, und Sie verlieren irgendwann die Geduld.

simplify-Rat: Begrenzen Sie das Gespräch zeitlich. Setzen Sie danach auf Ablenkung, am besten körperliche Bewegung. Regen Sie Ihre Freundin zu einem flotten Spaziergang um den Block an, lassen Sie Ihren Partner das Kaminholz spalten, fordern Sie Ihr Kind zu einem Wettrennen heraus … Schlagen Sie einer generell ängstlichen Person vor, morgens aufzuschreiben, wovor sie an diesem Tag Angst hat – und abends zu checken, was davon tatsächlich eingetreten ist.

Ehrlich sein statt verschweigen

Gut gemeint: Damit andere sich nicht „unnötig“ um Sie ängstigen, verheimlichen Sie so manches. Sie erzählen beispielsweise Ihren Eltern nicht, dass Sie im Urlaub einen Autounfall hatten. Das Problem: Wenn so ein Geheimnis an den Tag kommt, werden Sorgen und Kontrollbedürfnis noch schlimmer („Wer weiß, was du uns sonst noch verheimlichst!“).

simplify-Rat: Stehen Sie zur Wahrheit. Weichen Sie Konflikten nicht aus („Müsst Ihr unbedingt mit dem Auto nach Süditalien?“). Aber lassen Sie die Ängste anderer nicht zu Ihrem eigenen Problem werden, indem Sie sich deren Kontrollwünschen unterwerfen. Schließen Sie einen Pakt, mit dem Sie gut leben können: „Ich rufe aus dem Urlaub alle 3 Tage einmal an“ oder „Wenn ich nichts von mir hören lasse, ist unter Garantie alles in Ordnung“.

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