Erziehungsstile gibt es viele. Sie geben Aufschluss über das „Wie“ in der Kindererziehung. Die meisten Eltern verwenden eine Mischform. Sie erziehen ihre Kinder nach den eigenen Wertvorstellungen, so wie sie es für richtig halten. Dennoch herrscht heutzutage eine große Verunsicherung. Das ist verständlich, wenn wir uns die Zahl der Erziehungsratgeber anschauen. Kommt es dann zu Fehlverhalten bei den Kindern, zu Problemen in Kindergarten, Schule oder mit Freunden, lohnt sich ein Blick auf die verschiedenen Erziehungsstile. Denn wenn wir uns neu ausrichten, beeinflussen wir auch das Verhalten unserer Kinder.
Was wollen wir mit der Erziehung erreichen?
Kinder sollen sich zu glücklichen, selbstbewussten, liebenswerten und verantwortungsbewussten Menschen entwickeln können. Die meisten Eltern werden sich einig sein, was diese Erziehungsziele betrifft. Bei der Frage des Erziehungsstils gehen die Meinungen dagegen weit auseinander. Die einen packen ihre Kinder in Watte, die anderen erheben den Zeigefinger. Es gibt geduldige Eltern, verständnisvolle, kontrollsüchtige, beschützende usw. Die Bandbreite ist riesengroß. Besser oder anders zu erziehen als die eigenen Eltern: Dieser Wunsch ist vielen gemein.
Das sind die drei häufigsten Erziehungsstile:
Der autoritäre Stil
Der dänische Familientherapeut Jesper Juul nennt es auch „Elterndiktatur“. Strenge Eltern, viele Regeln, hohe Erwartungen, Belohnung und Bestrafung kennzeichnen diesen Erziehungsstil. Die Eltern bestimmen weitgehend den Tagesablauf, gehen nur selten emotional auf ihr Kind ein. Die Auswirkungen des autoritären Stils auf das Kind: Aggression, Unselbstständigkeit, mangelndes Selbstwertgefühl. Diese Art der Erziehung war vor allem bei den Nachkriegsgenerationen üblich und gilt inzwischen als veraltet. Bestandteile davon finden wir heute immer noch vor.
Der antiautoritäre Stil
Kinder dürfen (fast) alles, genießen Freiheit. Es gibt gar keine Grenzen oder keine verlässlichen. Das Kind soll sich entfalten können. Es hört selten ein „Nein“, entscheidet nach dem Lustprinzip. Dabei lernt es nie, mit negativen Emotionen um- und auf andere Menschen einzugehen oder Rücksicht zu nehmen. Weitläufig betrachtet „pflegen“ sowohl Eltern diesen Stil, die ihre Kinder vernachlässigen, als auch Eltern, die ihren Nachwuchs verhätscheln und vor jedem Un-Glück bewahren.
Vielfach ist zu beobachten, dass Eltern sogar innerhalb eines Tages zwischen dem autoritären und antiautoritären Stil hin- und herwechseln. Ein verlässlicher Rahmen fehlt den Kindern, sodass sie ihn durch ihr Verhalten oft selbst einfordern.
Der demokratische Stil
Er gilt inzwischen als der Erziehungsstil, der am ehesten eine positive Entwicklung der Kinder unterstützt. Eltern sehen sich in der Verantwortung, ihre Kinder zu führen und zu begleiten. Sie geben den Rahmen vor. Sie sind jedoch offen für die Bedürfnisse ihrer Kinder, gewähren ihnen gewisse Freiheiten. Eltern und Kinder befinden sich im Austausch und besprechen wichtige Entscheidungen gemeinsam. Ein großer Pluspunkt dieses Erziehungsstils ist die emotionale Sicherheit. Sie ermöglicht es den Kindern, sich zu eigenständigen, selbstbewussten und leistungsbereiten Persönlichkeiten zu entwickeln, die anderen Menschen mit Respekt und Wertschätzung begegnen.
Die verschiedenen Erziehungsstile und ihre Charakteristika erlauben uns, die eigenen Vorstellungen einzuordnen und gegebenenfalls zu überprüfen. Die richtige Erziehung gibt es nicht, auch können wir niemals im Sinne unserer Kinder alles richtig machen.
Was eine gute Eltern-Kind-Beziehung braucht
Laut Juul sind Kinder von Beginn an vollwertige Menschen. Sie brauchen Eltern, die ihnen mit Respekt begegnen und liebevoll Nein sagen können. Viel wichtiger als perfekt zu sein ist es, authentisch zu sein.
simplify-Tipp: Probieren Sie es aus! Erziehen Sie einmal nicht so, wie „man“ es tut, sondern folgen Sie dem, was Ihnen persönlich wichtig ist. „Ich will, dass ihr heute früh ins Bett geht, weil wir morgen viel vorhaben“, hat auf Kinder eine ganz andere Wirkung als: „Kleine Kinder bleiben nicht so lange auf! Ab ins Bett mit euch!“
Viele Experten sind sich einig, dass die Ermutigung neben Respekt, Liebe und gemeinsamer Freude wesentlich zu einer positiven Eltern-Kind-Beziehung beiträgt.
simplify-Tipp: Verzichten Sie einmal auf Kritik! Bedanken Sie sich stattdessen bei Ihrem Kind für etwas, das Sie sehen und wertschätzen, z. B. seine Unterstützung im Haushalt, seine kreative Zeichnung etc.
Ebenfalls zentral für eine gute Beziehung – übrigens auch zwischen Erwachsenen – ist es, zwischen der Person und ihrem Verhalten zu unterscheiden. Ihr Kind ist nicht sein Verhalten!
simplify-Tipp: Achten Sie auf den feinen Unterschied zwischen „Du bist aber auch ungeschickt!“ und „Eben hast du dich einfach ungeschickt verhalten.“ Wenn Sie Ihr Kind mit seinem Verhalten verwechseln und das auch zeigen (Aussage 1), werten Sie es immer wieder ab. Zeigen Sie ihm stattdessen, dass Sie sein Verhalten nicht gutheißen (Aussage 2), bringen Sie ihm als Mensch trotzdem Respekt entgegen.
Manchmal sind wir als Eltern selbst unzufrieden, gestresst und kaum kooperationsbereit. Dann können wir nur schwer auf die Nöte und Bedürfnisse unserer Sprösslinge eingehen. Das ist vollkommen in Ordnung, weil menschlich!
simplify Tipp: Stehen Sie auch für sich selbst ein! Für Kinder ist es wichtig, dass sie sich gehört und gesehen fühlen. Sie können z. B. eine Entscheidung vertagen, indem Sie sagen: „Ich höre deinen Wunsch. Und ich kann das jetzt gerade nicht entscheiden. Heute Abend rede ich gerne mit dir darüber, wenn ich etwas zur Ruhe gekommen bin.“ Einige Familien haben einen festen Tag in der Woche, an dem sie gemeinsam Wichtiges, wie z. B. Konfliktsituationen, besprechen.
Emotionen begegnen uns während der ganzen Erziehungsphase – sowohl unsere eigenen als auch die unserer Kinder. Sie lassen sich nicht wegreden oder ignorieren, wohl aber anerkennen und benennen. Selbst Kinder sind für ihre Emotionen bereits selbst verantwortlich.
simplify Tipp: Gehen Sie offen und einfühlsam mit Emotionen um. Bleiben Sie z. B. gelassen, wenn Ihr Kind herummeckert: „Ich sehe, du bist frustriert, weil ich dir das nicht erlaube. Das kann ich gut verstehen.“ Verzichten Sie auf das „Aber“, das Einlenken, das Beschwichtigen. Indem Sie Ihre eigenen Emotionen ebenfalls ausdrücken, bleiben Sie authentisch: „Ich ärgere mich gerade, weil ich nun zu spät zur Arbeit komme.“ Achten Sie dabei auf Ich-Botschaften: nicht „… weil du zu lange getrödelt hast“, sondern „… weil ich nun zu spät zur Arbeit komme.“
Dies sind nur einige Tipps, um eine Richtungsänderung im Erziehungsstil zu bewirken. Dabei ist es wie so oft im Leben: Alles braucht seine Zeit! Selbstbewusstsein entsteht nicht von heute auf morgen, weil Sie Ihr Kind mehr ermutigen oder weniger abwerten. Wenn Sie es liebevoll begleiten und Ihre Haltung klar zum Ausdruck bringen, ermöglichen Sie ihm langfristig die Chance zu wachsen.
Von Jesper Juul gibt es inzwischen viele Bücher zum gemeinsamen Leben und Erziehen. Als Grundlagenbücher zu empfehlen sind: „Dein kompetentes Kind. Auf dem Weg zu einer neuen Wertgrundlage für die ganze Familie“ oder „Grenzen, Nähe, Respekt. Auf dem Weg zur kompetenten Eltern-Kind-Beziehung“ sowie auch „Nein aus Liebe. Klare Eltern – starke Kinder“. Hier auf www.familylab.de gibt es weitere Informationen sowie Buchempfehlungen.
Autorin: Dunja Herrmann