Wie Sie mit einfachsten Mitteln Ihre Beziehung dauerhaft beleben können
Paarsterben – auf diese einfache Formel bringt der Psychoanalytiker Michael L. Moeller die derzeitige Situation der Ehen und Partnerschaften. Ahnungslos und unvorbereitet gehen Menschen in eine Zweierbeziehung, das größte Wagnis ihres Lebens. Sie nehmen sich zu wenig Zeit füreinander, geben sich für die Beziehungsprobleme gegenseitig die Schuld, werden passiv und verlieren bald auch die erotische Lust aneinander. „Beziehungslos in der Beziehung” nennt Moeller den beklagenswerten Zustand, der übrigens weltweit stattfindet, nicht bloß in den Industrienationen.
Die Lösung: „wesentlich” miteinander sprechen. Nicht über die Arbeit, über die Kinder oder übers Essen, sondern über sich selbst. Am Anfang einer Beziehung tut das jedes Paar von alleine. Man ist neugierig aufeinander, will alles vom anderen wissen. Aus der wachsenden Vertrautheit erwächst die erotische Anziehung. Dann aber denken beide, dass sie vom anderen nichts Neues mehr erfahren können, weil sie sich schon so viel erzählt haben und sowieso alles über den anderen wissen. Beziehungsprobleme beruhen meist auf diesem Irrtum.
Einfache Regeln
Als Gegenmittel gegen diese Beziehungsprobleme hat Moeller das „Zwiegespräch” entwickelt, bei seinen Patienten seit über 2 Jahrzehnten zigtausendfach bewährt. Es ist eine Unterhaltung nach einfachen, aber festen Regeln. Beide Partner verpflichten sich gegenseitig, diese Regeln einzuhalten.
Warum Zwiegespräche so gut tun
Jedes Paar, so Moeller, lebt in einer doppelten Wirklichkeit – in der eigenen und in der des Partners. Wenn jeder die Wirklichkeit des anderen kennen lernt, wird die Partnerschaft bereichert. Wenn jeder aber den anderen davon überzeugen möchte, die eigene Wirklichkeit sei die bessere, entstehen Beziehungsprobleme und die Beziehung geht innerlich zu Ende. Daher lautet die wichtigste Voraussetzung des Zwiegesprächs: vollständige Gleichberechtigung der beiden Wirklichkeiten.
In Zwiegesprächen lernen beide Partner 5 große Wahrheiten:
1. „Ich bin nicht du”
Sie lernen, dass Sie sich gegenseitig viel weniger kennen, als Sie ahnen. In einer länger dauernden Beziehung behauptet ständig ein Partner etwas über den anderen. Moeller nennt das „den anderen kolonialisieren” oder „Paar-Rassismus”: Jeder ist heimlich überzeugt, irgendwie doch der Bessere von beiden zu sein. Ein ehrliches Zwiegespräch macht damit Schluss.
2. „Wir sind 2 Gesichter einer Beziehung”
Sie lernen, sich nicht als 2 unabhängige Individuen aufzufassen, sondern als ein Paar, dessen Unterbewusstes schon längst zusammenspielt. Die unangenehmsten Eigenschaften Ihres Partners, seine Geheimnisse vor Ihnen – all das gehört zu Ihnen beiden. Sie können die Beziehungsprobleme nicht auf den anderen abschieben. Diese Einsicht revolutioniert den Paaralltag. Denn es gibt keinen Boden mehr für Vorwürfe und Selbstvorwürfe, weil beide am Verhalten eines jeden beteiligt sind.
3. „Dass wir miteinander reden, macht uns zu Menschen”
Sie lernen, dass Sie bestenfalls sich selbst, nicht aber den anderen ändern können, auch wenn Sie es ununterbrochen versuchen. Und Sie lernen, dass Sie beim Miteinanderreden nicht nur eine Beziehung zum anderen, sondern auch zu sich selbst aufnehmen.
4. „Wir erzählen uns Bilder”
Sie lernen, anstelle von „Ich finde dich toll” konkrete Szenen zu benutzen: „Heute früh sah ich dich, wie du auf dem Rad mit leicht wehendem Rock um die Ecke kamst und das Sonnenlicht in deine Haare geleuchtet hat. Da fand ich dich ganz wundervoll du selbst.”
5. „Für meine Gefühle bin ich selbst verantwortlich”
Sie lernen, Ihre Gefühle als Handlungen Ihres Unbewussten zu verstehen – und nicht zu meinen, Gefühle kämen schicksalhaft über Sie oder würden von außen gemacht. Sie lernen, Ihre Gefühle klarer auszudrücken und souveräner mit ihnen umzugehen, z. B. indem Sie sich nicht von jedem Gefühlsimpuls bestimmen lassen.
Wenn ein Zwiegespräch schief läuft
Geben Sie deswegen nicht auf. Zwiegespräche optimieren sich selbst. Falls ein Zwiegespräch einmal miserabel ausfallen sollte, wird das nächste automatisch besser. Zwiegespräche wirken über sich hinaus; auch die anderen Gespräche werden wesentlicher und offener.
Was Zwiegespräche bewirken
Psychosomatische Untersuchungen haben erwiesen, dass das menschliche Immunsystem wesentlich durch die Qualität der Paarbeziehung bestimmt wird. Das Blutbild nach einem Zwiegespräch verbessert sich messbar.
Das subjektive Glücksgefühl eines Menschen hängt ebenfalls wesentlich von der Paarbeziehung ab.
Eine gute Partnerschaft ist außerdem prägend für die Kinder des Paares. Jedes Kind ahmt später unbewusst die Paarqualität seiner Eltern nach.
Die durch die Zwiegespräche verbesserte Paarkommunikation bereichert schließlich auch das Sexualleben des Paares. Es ist ein Irrtum, dass zu gutem Sex eine gewisse Fremdheit gehört. Gegenseitiges Verständnis und intime Vertrautheit sind die besten Zutaten für erfüllte Erotik.
2 Minuten pro Tag
Die jüngste Studie, durchgeführt bei 76.000 Personen, ergab: Pro Tag spricht ein deutsches Paar im Durchschnitt 2 Minuten über sich selbst. In der Presse wurde diese Studie häufig falsch zitiert, als ob ein Paar überhaupt nur noch 2 Minuten miteinander redet. Das stimmt natürlich nicht; es geht um das „wesentliche” Sprechen, bei dem jeder selbst, die Beziehungsprobleme und das Miteinander in der Beziehung zum Thema gemacht wird.
Wenn Sie mehr erfahren möchten – das gut lesbare Einführungsbuch in die Methode der Zwiegespräche ist Michael Lukas Moeller, Die Wahrheit beginnt zu zweit. Rowohlt Taschenbuch, 9,95 €, 29. Auflage, Hamburg 1992.
Regeln für Zwiegespräche
Feste Zeit
Vereinbaren Sie pro Woche einen Termin und einen Ersatztermin (falls beim 1. etwas dazwischenkommt), an dem Sie ungestört „allein zu zweit” 90 Minuten lang miteinander sprechen können.
Fester Ablauf
Setzen Sie sich gegenüber, denn das Wesentliche wird optisch übermittelt, nicht über die Sprache. Schalten Sie Störungen aus (Telefon, Computer, Hintergrundmusik, Fernsehen). Kürzen Sie das Gespräch nicht ab und verlängern Sie es nicht.
Fester Wechsel
Für Zwiegespräche benötigen Sie eine Uhr. 15 Minuten spricht der eine, dann 15 Minuten der andere. Wer zuhört, stellt keine Fragen, nicht einmal Verständnisfragen.
Festes Thema
Jeder erzählt, was ihn derzeit am meisten bewegt. „Ein Selbstporträt malen” nennt Moeller das. Jeder bleibt bei sich selbst als Thema. Wenn er über den anderen spricht (was natürlich erlaubt ist), dann nicht wertend, sondern er schildert seine eigenen Empfindungen im Blick auf den Partner. Das ist der Unterschied zu Streitgesprächen in der „Beziehungskiste”, in denen jeder dem anderen weismachen will, wie er wirklich sei.