Zuerst machte es Barack Obama. Nun ist auch Angela Merkel darauf gekommen und hat im letzten Jahr drei Experten dafür eingestellt: Nudging. Dieses Konzept aus der Verhaltensökonomie soll dem Staat helfen, Verordnungen und Gesetze so zu gestalten, dass sie auch eingehalten werden. Es geht um die sanfte Beeinflussung der Bürger bei ihren Entscheidungen. Geprägt hat den Begriff nudge (amerikanisch für: Stups, sanfter Schubser) das amerikanische Professoren-Duo Richard Thaler und Cass Sunstein. Ihr Konzept ist nicht unumstritten. Aber wir meinen: Nudging ist simplify! Hier unsere Tipps, wie Sie es selbst einsetzen können:
Erkennen Sie Ihre Einflussmöglichkeiten
„Entscheidungsarchitekten“ organisieren das Umfeld, in dem Menschen Entscheidungen treffen: der Arzt, der dem Patienten Therapiemöglichkeiten erläutert; die Ladeninhaberin, die ihre Waren arrangiert; der Vater, der das Essen für die Familie auf den Tisch bringt – lauter Entscheidungsarchitekten! Werden Sie aufmerksam dafür, wo Sie beruflich oder privat die Entscheidungen anderer beeinflussen (könnten) – selbst wenn Sie das gar nicht beabsichtigen. Auch Kleinigkeiten können große Wirkung haben. Berühmtes Nudging-Beispiel: das Bild einer schwarzen Stubenfliege im Urinal von Männertoiletten, das die Treffsicherheit der Benutzer erhöht.
Wann Nudging hilfreich ist
Laut Thaler und Sunstein brauchen Menschen kleine Schubser, wenn die Entscheidungen …
… schwierig sind: Das ist der Fall, wenn Kosten und Nutzen zeitlich getrennt liegen (Zahnseide) oder wenn ein Nutzen für die Allgemeinheit vorliegt, der Einzelne aber die Kosten trägt (Umweltschutz).
… selten getroffen werden: Je häufiger Sie eine bestimmte Entscheidung fällen, desto kompetenter werden Sie darin. Manche Entscheidungen – etwa die Wahl einer Ausbildung – können Sie allerdings nicht üben.
… keine umgehende Rückmeldung bieten: Oft werden die Folgen einer Entscheidung erst spät spürbar, oder es wird niemals offensichtlich, dass eine andere Entscheidung besser gewesen wäre. Wer etwa seine Kinder sehr streng erzieht, wird nie erfahren, wie sie sich entwickelt hätten, wenn er ihnen mehr Freiräume gegeben hätte.
… Aspekte beinhalten, die schwer zu verstehen sind: So wunderbar Entscheidungsfreiheit ist – viele Menschen sind bei der Wahl des für sie günstigsten Telefontarifs oder der für sie besten Geldanlage überfordert.
Wie Nudges funktionieren
Wir Menschen sind keine stets rationalen, zum eigenen Wohl kühl kalkulierenden Wesen, deren Gedächtnis die Speicherkapazität eines Computers besitzt und die ihr Wissen mit 100%iger Konsequenz in praktisches Handeln umsetzen – zum Glück. Doch manchmal ist genau das auch von Nachteil für uns: wenn unlogisches Denken, fehlendes Wissen und mangelnde Konsequenz unsere Entscheidungsmechanismen beeinträchtigen. Genau hier setzen Nudges an. 4 Beispiele:
1. Vorbilder und Trends sichtbar machen
Die meisten Menschen lassen sich von den Meinungen und Handlungen anderer (oder einer von ihnen wahrgenommenen Mehrheit) beeinflussen. Wenn Sie die Einhaltung von Regeln forcieren wollen, sollten Sie die Zahl derer hervorheben, die sich daran halten. Nudging-Beispiel: Betonen Sie als Lehrer, dass die große Mehrheit Ihrer Klasse die Anmeldung fürs Schullandheim bereits abgegeben hat.
2. Absichten bekunden lassen
Fragen Sie jemanden nach seiner Absicht, so erhöhen Sie damit die Wahrscheinlichkeit, dass der andere sich tatsächlich gemäß seiner Absichtserklärung verhalten wird. Nudging-Beispiel: Erklären Sie Ihrem Nachbarn nicht nur, weshalb die bevorstehende Volksabstimmung wichtig ist, sondern fragen Sie ihn, ob er vorhat, sich daran zu beteiligen.
3. Auswahl begrenzen
Überfordert von ihren vielen Optionen neigen Menschen dazu, die Entscheidung aufzuschieben – oft die schlechteste Wahl. Nudging-Beispiel: Treffen Sie als Berater eine Vorauswahl. Stellen Sie dem Kunden 3 Produkte vor, mit denen er „in jedem Fall gut fährt“. Oder gestalten Sie die Entscheidung mit Hilfe des K.-o.-Prinzips, indem Sie immer nur 2 Optionen (z. B. 2 Ferienunterkünfte) gegeneinander antreten lassen.
4. Wetten abschließen
Gute Vorsätze umzusetzen und Verführungen zu widerstehen fällt leichter, wenn ein äußerer, von der Sache unabhängiger Anreiz besteht. Nudging-Beispiel: Wenn Sie gemeinsam mit einem Freund jede Woche zum Sport gehen wollen, schließen Sie folgende Wette ab: Wer zuerst aus „Zeitmangel“ die Verabredung absagt, muss dem anderen (oder einem wohltätigen Zweck) 50 € zahlen. Die Summe muss hoch genug sein, dass Sie das Geld nicht einfach bereitwillig hinblättern, wenn Sie heute keine Lust auf Sport haben.
Autorin: Ruth Drost-Hüttl