Was Sie gegen Störungen im Arbeitsalltag tun können
Es gibt unerschütterliche Arbeitsoptimisten: Sie beginnt ihren Tag mit einer Tasse Kaffee in der Hand, setzt sich an den Schreibtisch und will die Präsentation für morgen Nachmittag zusammenstellen. Doch vorher möchte sie noch schnell die E-Mails durchsehen. Nach 45 Minuten ist sie bereit, mit der eigentlichen Arbeit zu beginnen. Da klingelt das Telefon. Nach dem Gespräch steckt ein Kollege den Kopf zur Tür herein: „Können wir kurz etwas besprechen?“ Das Ende vom Lied: Um 17 Uhr ist klar, dass die wichtigste Tätigkeit des Tages auf morgen verschoben wird.
Das große Paradox
Immer mehr Menschen arbeiten in einer Umgebung, die für ihre Arbeit eigentlich ungeeignet ist. Die Universität von Irvine, USA, hat es genau erforscht: Amerikanische Büroangestellte werden im Schnitt alle 3 Minuten unterbrochen. Der Wert dürfte in Deutschland ähnlich sein. Um die Konzentration nach einer Unterbrechung wiederzufinden, können bis zu 25 Minuten vergehen. Eine Untersuchung der Firma Hewlett-Packard ergab, dass in 41 % der Fälle der Unterbrochene nicht mehr zu seiner ursprünglichen Arbeit zurückgekehrt. Gegen solche Konzentrations-Killer hilft nur ein gut durchdachtes Zeitmanagement.
Warum Neinsagen so schwierig ist
Die meisten Menschen geben Unterbrechungen nach, weil sie andere nicht hängen lassen wollen. Es ist einfach schön, gebraucht zu werden. Unbewusst ermutigen wir unsere Mitmenschen, mit jeder Kleinigkeit zu uns zu kommen. Vor allem wenn uns die eigentliche Arbeit zu unangenehm oder zu langweilig ist, heißt unser Unbewusstes die Ablenkungen von außen herzlich willkommen. Dazu kommt das Dilemma, zwischen wichtig und unwichtig zu unterscheiden: Oft stellt sich erst hinterher heraus, was am wichtigsten gewesen wäre.
Prioritätenliste mit der Zeitmaschine
Es ist unerlässlich, Ihren Arbeitstag zu planen und ganz bewusst Zeitmanagement zu betreiben. Schreiben Sie am Morgen zunächst ungeordnet alles auf, was heute zu tun ist. Dann versetzen Sie sich in Gedanken in den Abend und sehen Sie zurück, für welche der ausgeschriebenen Aufgaben Sie sich am Ende des Arbeitstages am meisten auf die Schulter klopfen würden. Dieser Punkt erhält die Nummer 1. Erledigen Sie diese Aufgabe, bevor Sie sich mit irgendwelchen angenehmen Kleinigkeiten befassen.
Schalten Sie Ablenkungen aus
Stellen Sie Ihr Telefon auf Anrufbeantworter. Räumen Sie Ihren Schreibtisch leer, selbst wenn das bedeutet, dass Sie alle störenden Dinge einfach auf den Boden packen. Schön aufgeräumt wird erst, wenn Priorität 1 erledigt ist!
Geben Sie Verantwortung ab
Wenn Sie Mitarbeiter haben, ermutigen Sie sie zu eigenen Entscheidungen, damit Sie nicht ständig mit kleinen Fragen und Sorgen belästigt werden. Vereinbaren Sie mit Untergebenen genau, welche Entscheidungen sie ohne Sie treffen dürfen. Wenn jemand mit einem Problem zu Ihnen kommt, das er oder sie allein bewältigen könnte, widerstehen Sie der Versuchung, es „doch schnell selbst“ zu machen. Spielen Sie den Ball zurück, auch wenn das anfangs mehr Zeit kostet als das Selbermachen!
Planen Sie Ihre Unterbrechungen
Es klingt wie ein Widerspruch, aber Sie sollten günstige Termine für Unterbrechungen finden. Verwenden Sie Ihre Bürotür als Kommunikationsmittel: Ist sie geschlossen, dürfen Sie nicht gestört werden. Die anderen müssen warten, bis Ihre Tür wieder offen ist. Nach einer Gewöhnungsphase klappt das meist erstaunlich gut.
Halten Sie ein paar fertige Formulierungen bereit, mit denen Sie eine Unterbrechung schnell abblocken können: „Ich habe gerade eine ganz große Idee, an der ich unbedingt dranbleiben möchte.“ „Ich würde gern helfen, aber im Moment ist es absolut ausgeschlossen.“
Fragen Sie exakt, bis wann der andere Ihre Hilfestellung braucht. Setzt er Sie mit dem beliebten „Bis gestern!“ oder „Sofort!“ unter Druck, geben Sie diesen Druck zurück: „Dann geht es bei mir gar nicht.“ Geben Sie in diesem Fall die Aufgabe an jemand anders ab oder handeln Sie einen für Sie realistischen Termin aus.
Stellen Sie die 1-Million-Euro-Frage
Gehen Sie auf keine Unterbrechung ein, ohne sich vorher gefragt zu haben: Wen verletze ich, wenn ich jetzt Ja sage? Das wird häufig übersehen: Wenn Sie Nein sagen, enttäuschen oder verletzen Sie möglicherweise den Menschen, der Sie gerade um etwas bittet. Wenn Sie diesen Menschen aber nicht verletzen, verletzen Sie damit immer irgendjemand anders: Ihren Ehepartner, Ihre Kollegen, Ihren Chef, Ihre Kunden, Ihre Firma oder (in den allermeisten Fällen) sich selbst. Stellen Sie sich nicht nur das freudige Gesicht des Bittstellers vor, sondern all die enttäuschten Gesichter der anderen. Am besten stellen Sie sich diese Zeichnung auf Ihren Arbeitsplatz, um immer daran erinnert zu werden.
Bisher nur auf Englisch: Julie Morgenstern, Never Check E-Mail in the Morning: And Other Unexpected Strategies for Making Your Work Life Work. ISBN 0-7432-5088-5. 11,95 €.