Es gibt einige Dinge in meinem Leben, die sind neu. Unsere Hündin zum Beispiel. Gestern wollte ich nur kurz zum Briefkasten mit ihr. Eine Stunde später waren wir erst wieder zu Hause. Denn wenn eine bisher nicht Gassi-Geherin auf routinemäßige Gassi-Geher trifft, wird erst mal angehalten. Man beschnuppert sich – im wahrsten Sinne des Wortes tun das natürlich nur die Hunde. Aber auch bei den Herrchen und Frauchen läuft etwas Ähnliches ab. Ist der andere fähig, seinen Hund zu erziehen? Hat er ihn im Griff? Behandelt er ihn gut? Wie verhält sich der Hund gegenüber Artgenossen, Menschen und Katzen? Das alles sind Fragen, nur beispielhafte unter vielen, die im Laufe eines Gesprächs auf der Straße aufs Tapet kommen. Meistens nonverbal. Da ich diejenige bin, die den jungen Hund an der Leine hat, stehe ich besonders auf dem Prüfstand. Und was ich festgestellt habe: Ich werde mit Tipps versorgt, die ich gar nicht haben will! Ständig erzählt mir jemand etwas, das er über meinen Hund meint zu wissen und nachdem ich mich unbedingt richten soll, um ja nichts falsch zu machen. Zwischendurch lasse ich dann eine Bemerkung darüber fallen, dass ich bereits vor einigen Jahren einen viel größeren Hund besessen habe. Doch das hält die anderen nicht davon ab, Ratschläge zu verteilen. Wie heißt es doch gleich? Ratschläge sind auch Schläge. Je nachdem wie sie formuliert werden, stimmt das sogar. Zu einer anderen Veränderung in meinem Leben hat mir jemand auf sehr fordernde, aggressive Art mitgeteilt:
- Das musst du tun.
- Das kannst du gleich lassen.
- Das bringt gar nix.
- Nur hiermit erreichst du was.
Puh! Ich hätte ja sagen können: „Vielen Dank für deine Tipps, doch jetzt möchte ich gerne über etwas anderes sprechen.“ Doch ich kam nicht einmal zu Wort, so wurde ich bombardiert mit dem, was ich müssen und vermeiden muss. Dabei traue ich der Person durchaus eine fachliche Kompetenz zu. Ich hatte mir sogar schon überlegt sie um Rat zu fragen. Doch nach dieser Kopfwäsche mache ich lieber kein neues Fass auf … „Die es gut meinen, das sind die Schlimmsten“, sagte schon Paracelsus und meinte damit sicher die Hundehalter und anderen lieben Menschen, die meinen, sie müssten einen Rat erteilen. Eine ganz liebe Freundin von mir hat zum Beispiel immer einen parat. Ich bin sicher, sie meint es gut. Aber ich habe sie in den seltensten Fällen nach einer Lösung gefragt. Ich wollte mich nur mitteilen. Bei den Mitmenschen, die sehr vehement die Worte „du musst“ oder „auf gar keinen Fall“ gebrauchen, zweifle ich an der guten Absicht. Hier scheint mir etwas anderes der innere Motor zu sein. Ich für meinen Teil gebrauche diese Worte selbst hin und wieder. Als Mutter. Dabei erlebe ich beim Nachwuchs etwas, das ich auch als Erwachsene kenne: Man sträubt sich dagegen. Der Schriftsteller Martin Kessel hat ein schönes Bild dafür: „Ratschläge sind wie abgetragene Kleider: man benützt sie ungern, auch wenn sie passen.“ Wobei ich schon eingestehen muss, dass ich
- über den einen oder anderen Rat sicher noch nachdenke, weil ich ihn hilfreich fand,
- durchaus selbst zu den Menschen zählen kann, die ungefragt Rat geben.
Doch in den vergangenen Jahren habe ich mir angewöhnt, solche „Übergriffe“ zu minimieren. Wenn sich spürbar ein Ratschlag in mir zusammenbraut, frage ich mein Gegenüber: „Willst du meine Meinung dazu hören/meinen Rat haben?“ Erst, wenn ich ein klares Ja bekomme, gehe ich darauf ein. Ich schließe den heutigen Beitrag mit den Worten Louis Pasteurs ab: „Der Kluge gibt keinen unerbetenen Ratschlag, der Weise nicht einmal den erbetenen.“